Überall bist Du bei mir, mein Gott! zu jeder Stunde gibst Du mir Gehör. Auch außer der Kirche, mitten in meinen Geschäften, zu Hause und auf freiem Felde, wenn ich meine Wege gehe, oder mich zu Ruhe lege; wenn ich zu Tische sitze, oder davon aufstehe; wenn ich zu Nachts oder Morgens erwache; wenn ich allein oder bei Andern bin; in fröhlichen oder traurigen Stunden kann ich meine Gedanken zu Dir erheben. Alles, ja Alles kann und soll mich an Dich erinnern, zum Lob und Dank, und Vertrauen gegen Dich ermuntern. Wenn ich etwas anfange, so sei mein erster Gedanke , ob es vor Dir auch recht und gut ist; und dann gehe ich mit Mut daran, im Vertrauen auf Deinen Beistand und Segen. Ist es vollendet, so sei’s Dir gedankt und heimgestellt, Gehet es mir wohl, so preise ich Dich dafür, und freue mich Deiner. Stehet mir Gefahr und Not bevor: warum soll ich zagen? Du, Gott mein Vater! bist bei mir.
Du verlangst keine langen Gebete, weil mein schwacher Geist, bald ermattet und zerstreuet wird. Du willst nicht einmal, dass ich viele Worte brauchen soll. Desto öfter und inniger aber soll sich mein Herz zu Dir erheben, und in kindlicher Einfalt mit Dir reden. Ich darf nicht erst auf Worte sinnen; sondern darf mit Dir reden, wie ein Kind mit seinem Vater, wie ein Freund mit dem andern. Und das sollte mir schwer ankommen? Dir, mein bester Vater, Wohltäter und Freund! sollte ich nichts zu sagen wissen? Dir nicht meine Hochschätzung und Liebe bezeugen können? – Habe ich Dir denn nichts zu danken? nichts abzubitten? nichts von Dir zu hoffen? – Habe ich Dir kein Anliegen vorzutragen, keinen Trost bei Dir zu suchen?
O Gott, wie muss ich mich schämen, dass ich so wenig Lust am Beten habe; dass ich oft nur aus Zwang, aus Gewohnheit, dem Schein nach bete, aber mit den Gedanken ganz anderswo bin, und selbst nicht weiß, was ich sage; oder Dir meine Gebete gleichem vorzähle, und mehr darauf sehe, wie viel, als wie gut ich gebetet habe.
Ach! Ich erkenne und liebe Dich eben noch allzuwenig, mein himmlischer Vater. Deiner täglichen Wohltaten bin ich schon gewohnt, die größten Gnaden, die wahren Güter, die Du mir bereitest, weiss ich nicht genug zu schätzen, und fühle auch nicht viel Verlangen danach; was mir das Angenehmste sein soll, ist es mir oft am wenigsten; es bringt immer nur das Zeitliche, das Gegenwärtige vor. Darum wird es meinem Herzen so schwer, sich von der Erde gegen den Himmel, vom Sichtbaren zu dem Unsichtbaren zu erheben; darum hat es so wenig Eifer zum Gebet, so wenig Andacht dabei.
Wann werde ich doch einmal diese Trägheit überwinden! – Mit deinem Beistand, o Gott! wird es mir gelingen, wenn ich Dich mir allzeit als gegenwärtig vorstelle, und wohl bedenke, was ich tue, wenn ich bete; mit wem ich rede; wie groß, wie gut, wie heilig Du bist. Dies wird mich mit Ehrfurcht, Zutrauen und Liebe erfüllen, und vor dem Frevel bewahren, Dir etwas vorzusagen, das mir nicht von Herzen ginge, – etwas zu versprechen, was ich nicht zu halten gesinnte wäre, – um Güter zu bitten, die ich mir nicht ernstlich erwerben und zu Nutzen machen wollte.
Zerstreuungen, die mir selbst unlieb sind, rechnest Du mir nicht zur Schuld. Ich will nur, sobald ich sie merke, meine Gedanken sammeln, und sie wieder auf das richten, was ich bete. Wenn es mir gleich nicht allzeit von statten gehet, wenn ich schon den süßen Trost des Gebetes oft nicht empfinde; so soll mich das nicht abwendig machen. Du siehst auf den guten Willen; und es kommt Alles darauf an, wie Du diesen bei mir findest.